Auftrittscoaching

Keine Angst vor wichtigen Präsentationen und Vorträgen

Uwe M. war zu dem Zeitpunkt, als er sich an mich wandte, 49 Jahre alt und Vorstand in einem großen Konzern. In seinem Beruf arbeitete er sehr erfolgreich, trat souverän auf und die wenigsten hätten vermutet, was ihn bedrückte: Beklemmungen und Ängste bei den häufigen Präsentationen und Vorträgen, die er berufsbedingt halten musste.

Seine Ängste und die damit verknüpften körperlichen Symptome wie starkes Hitzeempfinden und Schweißperlen auf der Stirn erschienen ihm absolut unverständlich. »Es ist nahezu irrational, weil mir stets von allen Seiten bestätigt wird, dass ich bei meinen Auftritten sehr souverän wirke«, sagte er mir bei unserem ersten Treffen, »aber innerlich sterbe ich dabei tausend Tode.« Er hatte schon sehr viele Bücher über das Problem Auftrittsangst gelesen und auch einige Coaches konsultiert. Alles ohne Erfolg. Uwe M. konnte sich diese irrationale Angst einfach nicht erklären.

Zu Beginn der Sitzung bat ich Uwe M., sein Problem und die damit verknüpften körperlichen Symptome noch einmal sehr detailliert zu schildern. Als Vorstandsmitglied müsse er häufig vor größeren Menschengruppen sprechen, in verschiedenen Abteilungen und Bereichen des Unternehmens, bei Mitarbeiter- und Aktionärsversammlungen, Bilanzpressekonferenzen, Podiumsdiskussionen und vielen anderen Gelegenheiten, sagte er. Er sei vorher immer extrem aufgeregt und sehr in Sorge, dass er wieder schwitzen würde und sich auf seiner Stirn Schweißtropfen bilden könnten, die andere dann bemerken. Er beschrieb diese »Angst vor der Angst« als einen Teufelskreislauf, den es zu durchbrechen galt. Sein sehnlichster Wunsch: »zukünftig nicht mehr so aufgeregt zu sein«.

Unser Gehirn kann das Wort »NICHT« nicht denken

In der Formulierung seines Wunsches verbarg sich bereits ein Problem: das »Nicht-mehr«, die Verneinung. Sie widerspricht der Art und Weise wie unser Gehirn arbeitet. Es kann nämlich nicht NICHT denken. Ein Beispiel: Versuchen Sie jetzt bitte einmal, NICHT an ein Krokodil zu denken. Was passiert? Natürlich, Sie haben sofort dieses grüne Tier mit dem großen Gebiss vor Augen. Das liegt daran, dass Ihr Gehirn prompt und zuverlässig auf alle Wörter reagiert – auch, wenn sie mit einem NICHT kombiniert werden.

Was hatte Uwe M. gemacht? Er hat durch die gewählte Formulierung sein Gehirn ständig mit dem Scheitern, der Angst beschäftigt. Dieser »Krokodil-Effekt« bewirkt eine sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Das Gehirn ist dann förmlich auf Angst programmiert. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sie tatsächlich auftritt, ist sehr hoch. Leistungssportler machen in kritischen Momenten genau das Gegenteil: Sie fokussieren mit allen Sinnen auf Erinnerungen gemeisterter Erfolge und Vorstellungen von zukünftigen Siegesmomenten. Diese mentale Ausrichtung konzentriert alle Ressourcen auf Fähig- keiten, Verhaltensweisen, Einstellungen und innere Überzeugungen, die dann zum Erfolg führen.

Spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert

Als ersten Schritt erarbeiteten mein Klient und ich also eine gehirngerechte Formulierung seines Coaching-Ziels. Zusätzlich sollte die Formulierung den SMART- Kriterien entsprechen, also spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sein. Die neue Formulierung lautete: »Ich werde mich eine Stunde vor und während der Podiumsdiskussion am 10. Dezember gelassen fühlen und eine wohlige Wärme im Brustbereich spüren.«

Ich bat Herrn M., diesen Ziel-Satz mit entsprechenden positiven Bildern und anderen Sinneseindrücken auch im Selbst-Coaching regelrecht zu trainieren – am besten beim Hören der WingWave-Musik. Er sollte diesen positiven Ziel-Zustand immer weiter verinnerlichen, indem er so tat, als ob das Ziel schon positive Realität sei.

Was ist der Auslöser für die Probleme? Im zweiten Schritt versuchten wir herauszufinden, welcher »Biografie-Stress«, also welche früheren, belastenden Erlebnisse, Grund für diese Auftrittsangst sein könnten. Das analysierte ich mit dem Muskeltest (Myostatiktests) aus der Wing-Wave-Methode. Ich bat ihn, gezielt an eine für sein Problem typische Auftrittssi- tuation zu denken und überprüfte dabei mit dem Muskeltest, ob die von Herrn M. genannte Situation tatsächlich Stress auslöste. Das war der Fall.

Er ist Hilflosigkeit

Mein Klient berichtete ganz detailliert von einem Vortrag, bei dem er sich besonders schlecht gefühlt hatte. Auslöser war der Moment, als ihn der Moderator dem Publikum als nächsten Redner ankündigte. Dies bestätigte auch der Muskeltest: Der Fingerring ging auf. Bei der Aussage: »Es ist Angst« blieb der Ring dagegen fest, was Herrn M. zunächst verblüffte. Erst bei der Aussage: »Es ist Hilflosigkeit« verriet das Öffnen des Fingerrings die emotionale Quelle der Stressreaktion.

Für mich zeigt sich an dieser Stelle immer wieder die Überlegenheit des Myostatiktests gegenüber rein verbal durchgeführten Problemanalysen. Letztere wären in diesem Fall zu einem falschen Schluss gekommen und hätten einen zielführenden Coachingprozess verhindert: »Angst« ist ein völlig anderes Thema als »Hilflosigkeit«. Das zeigt sich vor allem im körperlichen Erleben: Angst sorgt für einen hohen Muskeltonus, während Hilflosigkeit die Muskelfasern erschlaffen lässt.

Anschließend identifizierten wir mit dem O-Ringtest noch die für Uwe M. mit Hilflosigkeit verknüpfte Körperempfindung. Denn mit dem Körper empfindet jeder verschieden: Einem wird bei Trauer das Herz schwer, der Nächste fühlt bei der gleichen Emotion ganz deutlich einen Kloß im Hals. Uwe M. spürte beim Fokussieren der Hilflosigkeit ein Kribbeln im Bauch, das ihn sehr schwächte. »Denken Sie konkret an die Ankündigung durch den Moderator, spüren Sie bewusst das Kribbeln im Bauch als ›Körper-Echo‹, schauen Sie auf meine Finger«, for- derte ich ihn auf und führte die ersten WingWave-Augenbewegungs-Sets mit ihm durch. Nach nur zwei dieser Winke-Sets veränderte sich das vorher negative Körpergefühl bereits deutlich und der O-Ringtest blieb fest. »Das Gefühl hat sich völlig beruhigt«, wunderte sich mein Klient. Die stabile Wirkung hielt auch an, als ich ihn bat, nochmals intensiv an das schlimme Ereignis und die diagnostizierte Hilflosigkeit zu denken: »Es ist und bleibt jetzt alles ganz neutral«, beschrieb er sein Erleben.

Es begann an der Tafel in der Grundschule

Auf diese Weise spürten wir noch weitere Erinnerungen an unangenehme Momente in Redner-Situationen auf. Der Muskeltest führte uns auf zwei Erlebnisse in seiner Grundschulzeit. In beiden Fällen musste Uwe M. vorn an der Tafel stehen und fühlte sich schrecklich hilflos. »Der Lehrer schüttelte verächtlich den Kopf, die Mitschüler kicherten, mein Kopf war total leer – und ich durfte natürlich nicht weglaufen«, beschrieb mein Klient. Nun verstanden wir beide, warum ausgerechnet die Ankündigung durch einen Moderator einen so großen Stress auslösen konnte. »Ich wurde der Klasse durch den Lehrer ja quasi angekündigt«, erinnerte sich Uwe M., »Jetzt kommt Uwe mal nach vorn!« Die Situation damals fühlte sich für ihn an wie »der Gang aufs Schafott«. »Kein Wunder«, sagte der heutige Vorstand, »dass mein Unbewusstes ›den Gang nach vorn‹ nicht in guter Erinnerung behalten hat!«

Ein Stein hilft gegen den Stress beim Auftritt. Im nächsten Schritt bereiteten wir ihn gezielt auf künftige Auftrittssituationen in den nächsten Wochen und Monaten vor. Zunächst identifizierten wir mögliche Stressauslöser mit dem Muskeltest: Waren es die Themen der Vorträge? Die Anzahl der Menschen im Publikum? Die Präsentationstechnik? Die Räumlichkeiten selbst? Oder die Kleidung, die Uwe M. bei seinen Auftritten trug? Der Muskeltest schlug bei zwei Vorstellungen an: bei der Vorstellung der Deckenhöhe in großen Sälen und zweitens dem Gedanken, dass einzelne Zuhörer während seines Vortrages mit ihren Blicken abschweifen könnten. Dies bearbeitete und »befriedete« ich mit den schnellen Augenbewegungen.

In der Folgesitzung legten wir mit Metaplan-Karten sogenannte »Bodenanker« für die wichtigsten Stationen des nächsten Auftritts:

 • Nach vorn auf die Bühne gehen  • Hinsetzen am Rednertisch

• Letztes Checken der Stichworte  • Moderator kündigt mich an
• Aufstehen

• Zum Rednerpult gehen
• Rednerpult einrichten und Notizen ablegen • Blick im Zuschauerraum schweifen lassen • Das Publikum begrüßen
• Erste Sätze der Rede

In der zeitlich richtigen Abfolge legten wir die Karten mit den einzeln Schritten auf einer gedachten Zeitlinie auf dem Boden aus. Mein Klient stellte sich auf jeden Zettel und durchlebte den dort bezeichneten Moment lebendig mit allen Sinnen. Bei kleinen Rest-Unsicherheiten gab er mir ein Zeichen und ich bewinkte mit kur- zen Sets die letzten Spuren von Unwohlsein. Zusätzlich sollte Uwe M. sich über- legen, welche »Ressource« (Stärke, Eigenschaft, Erinnerung) ihm in künftigen Auftrittssituationen nützlich sein könnte.

Uwe M.s Zielformulierung beinhaltete das Wort »Gelassenheit«. Ich bat ihn, sich eine typische Situation zu überlegen, in der er üblicherweise in besonders angenehmer Weise »gelassen« sei. Bei einer speziellen Erinnerung, die ich als Coach nicht kennen muss, begann er spontan zu lächeln und seine Gesichtszüge ent- spannten sich. Wir »verankerten« daraufhin diese positive Erinnerung und dieses wohlige Gefühl mit einem konkreten Gegenstand – in seinem Fall mit einem kleinen Stein in der Tasche, der ab sofort zu seinem Talisman wurde. Vor allen wichtigen Auftritten fühlte Uwe M. den Stein in seiner Hosentasche und erinnerte sich so an die angenehme Gelassenheit.

Vier Wochen später rief mich mein Klient an und berichtete stolz, dass seine negativen Symptome bei einem Auftritt wie weggeblasen seien. Statt mit unange- nehmen Gefühlen verbindet er jetzt sogar zunehmend positive Emotionen wie Vorfreude, Zuversicht und Entschlossenheit mit seinen Auftritten. Und das ist bis heute so stabil geblieben.


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